Yuli

ESP/GB/D 2018

Kuba, Anfang der 80er Jahre. Carlos ist ein ungestümes, rebellisches Kind. Das meiste, was er vom Leben weiß, hat er auf den Straßen Havannas gelernt, wo er zum ungekrönten König der spontanen Breakdance-Wettbewerbe geworden ist. Sein Vater Pedro, LKW-Fahrer und Enkel einer Sklavin, erkennt das außergewöhnliche Talent seines Sohnes, das ihn herausreißen könnte aus dem Kreislauf von Unterdrückung und Anpassung. „Yuli“ nennt er seinen Sohn, nach einem afrikanischen Kriegsgott. Doch Yuli will nicht tanzen, er will keine Strumpfhosen und Ballettschläppchen tragen, er will Fußballer werden, wie Pelé.

Pedro zwingt seinen Sohn auf die staatliche Ballettschule und sorgt mit harter Hand dafür, dass er seine Ausbildung beendet, zuletzt in einem Ballett-Internat in der Provinz, fernab der Familie. Yuli lernt, mit der Einsamkeit zu leben. Der Tanz wird vom Zwang zur Zuflucht. Carlos entwickelt sich zum herausragenden Tänzer seiner Generation. Nach dem Gewinn der Goldmedaille beim renommierten Prix de Lausanne verpflichtet das English National Ballet den 18jährigen als Principal Dancer: Der Beginn einer einzigartigen Karriere.

Regie
Icíar Bollaín
Besetzung
Carlos Acosta, Santiago Alfonso, Keyvin Martinez
Länge
110 min
FSK
6

Die Lebensgeschichte des legendären kubanischen Tänzers Carlos Acosta könnte ein Paradebeispiel für einen solchen »Übervater« sein. Der erkennt die tänzerische Begabung seines kleinen Sohnes und will unbedingt, dass dieser im Kuba der 80er Jahre eine klassische Tanzausbildung an der renommiertesten Tanzakademie des Landes in Havanna absolviert. Der kleine Carlos – von seinem Vater Yuli genannt, nach dem Kriegsgott der afrokubanischen Religion Santeria – mag aber Breakdance und Fußball. Er möchte im Gegensatz zu Billy Elliot keine »Ballettschwuchtel« mit Strumpfhosen, sondern ein künftiger neuer Pelé werden. Doch der liebevoll doktrinäre Vater will der furchtbaren Geschichte der Sklaverei der schwarzen Bevölkerung mit einer Karriere seines Sohnes begegnen. Ein Nachfahre einer Sklavin soll trotz seines afrikanischen Ursprungs ein berühmter und somit geachteter Tänzer und Künstler werden. Dass Carlos/Yuli dagegen aufbegehrt, trotz Aufnahme in der berühmten Ballettschule, diese boykottiert und den Vater unbedingt umstimmen will, sind sehr berührende Szenen in einem Film, der die Lebensgeschichte von Carlos Acosta anhand sowohl choreografischer als auch filmischer Darstellung sehr geschickt auf zwei Ebenen erzählt. Der anfängliche Widerstand des jungen Acosta, seine Rebellion, seine Einsamkeit, seine sich entwickelnde Zuflucht zum Tanz werden von den verschiedenen Darstellern sehr intensiv vermittelt. Trotz großartiger, internationaler Erfolge verlässt Yuli das Heimweh nach seiner Familie, dem Kuba seiner Freunde, nie. Regisseurin Icíar Bollaín und Drehbuchautor Paul Laverty zeigen neben der sehr persönlichen Geschichte auch die politischen Verhältnisse im Kuba der vor- und nachsowjetischen Einflussnahme mit ihrem Exodus an Menschen, der sich auf die Lebensverhältnisse der Zurückbleibenden drastisch auswirkte. Der reale Carlos Acosta, der »Goldene Mulatte«, der »Schwarze Tanzgott« wie ihn die ausländischen Gazetten gerne betiteln, spielt in diesem Film seinen eigenen Regisseur-Choreografen, der seiner Vergangenheit, seiner Familie, seinem Kuba, mit seiner eigenen Tanzcompany noch einmal begegnen will – auch um sich seiner Sehnsucht zu stellen: »puro corazon«, von ganzem Herzen.
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