»Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen
aus lauter Güte.« Jeremia 31, 3. Kein Trost nirgends nach diesem
Dokumentarfilm über die Janis Joplin, die 27 Jahre alt wurde.
»Sie starb nicht an einer Überdosis Heroin, sie starb an
einer Überdosis Janis«, sagte Eric Clapton über den
frühen Tod der »weißen Rock- und Bluessängerin
mit der schwarzen Stimme« (1970). Respektvoll,
distanziert und neugierig ist dieser Film. Die
Dokumente, die Amy Berg zusammengetragen
hat, ergeben ein faszinierendes und auch trauriges
Bild der Rocklegende. Und die Musik, die
den Film trägt, die Stimme von Janis Joplin,
die schreit, fleht, zärtlich sein kann und rotzig,
nehmen einen mit in die Musikwelt der Sechzigerjahre,
San Francisco, Los Angeles, Monterey
Pop, Woodstock, um auf dem amerikanischen
Kontinent zu bleiben, und man fragt sich heute,
45 Jahre später, wo ist die Kraft dieser Musik, dieser
Jugendkultur, geblieben, die da auch durch
Janis Joplin in die Welt kam.
In diesem Film scheint es, als würden wir die
Sängerin zum ersten Mal in ihrer Größe, ihrer
Getriebenheit und ihrer Verletzlichkeit ganz
und gar wahrnehmen. Sie war noch viel mehr
als die Rockröhre, die Heroin nahm, Alkohol
trank, rauchte und kiffte, die kaum noch stehen
konnte, so breit war sie, und sich die Seele aus
dem Leib sang (Woodstock, es bleibt einem fast
das Herz stehen, das mit anzusehen). Sie war tief
verletzt, nach wie vor, weil sie in ihrer Schule
»zum hässlichsten Mann der Highschool« gewählt
worden war. Damals war sie 15. Blessuren der
Jugend, die blieben. In janis: little girl blue
ist sie so schön, so jung, mit ihrem wilden Haar,
der runden Brille, ihrem Lachen, den schönen
kleinen Brüsten, die sie ungeniert zeigt, am
Strand etwa.
Janis Joplin erzählt ihr Leben selbst durch die
Briefe (!), die sie ihrer Familie, ihren Freunden
und ihren Liebsten schrieb. O Lord, will you buy
me a Mercedes Benz, my friends all drive Porsche …
dieses Lied fehlt, aber nicht der Porsche, den
Janis damals fuhr und bunt anmalen ließ. Vor
wenigen Tagen ist dieses Auto für Millionen versteigert
worden. Das ist aber nur eine Petitesse.
Denn die millionenschwerste Single von Joplin
ist Me and Bobby McGee (Foster u. Kristofferson).
Nach diesem Film ist Janis Joplin so gegenwärtig
wie nie zuvor. Unsterblich.
GES