Caracas - Eine Liebe

Venezuela 2015

CARACAS, EINE LIEBE ist ein herausragendes Drama, das erstaunlich stilsicher die Position des Beobachters einnimmt statt psychologische Erklärungen zu liefern. Schmerz, Einsamkeit und Verlangen spiegeln sich nur in Castros zurückgenommenem Spiel. Regisseur Lorenzo Vigas, der zuvor als Dokumentarfilmer arbeitete, wurde dafür in Venedig mit dem Goldenen Löwen für den besten Film ausgezeichnet. Zehn Jahre nach Ang Lees BROKEBACK MOUNTAIN über die verbotene Liebe zweier schwuler Cowboys hätte Vigas’ Film eine ähnliche Kinokarriere mehr als verdient.

Regie
Lorenzo Vigas
Besetzung
Alfredo Castro, Luis Silva, Jericó Montilla, Alí Rondon
Länge
93 min
FSK
16

Armando ist gut abgesichert. Er hat eine Stelle als Zahntechniker und gehört damit in Venezuelas Hauptstadt Caracas zur gehobenen Mittelschicht. Was den zurückgezogen lebenden Mittfünfziger zum Außenseiter macht, ist sein Privatleben. Er steht auf junge Männer, aber das kann er weder sich noch seinem Umfeld eingestehen, am allerwenigsten seiner Schwester. Also gabelt er Typen auf der Straße auf, die aus den ärmeren Vierteln der Stadt stammen und ein bisschen Taschengeld gut gebrauchen können. Er bezahlt sie für ein paar Liebesdienste, wobei er lieber nur schaut, statt irgendwie in Aktion zu treten. Das geht eine ganze Weile gut – bis er Elder begegnet. Und schnell mehr Interesse für den unwirschen Kleinkriminellen entwickelt, als ihm guttut. Beim ersten Treffen zieht ihm Elder eins mit dem Aschenbecher über und verschwindet mit dem Geld. Doch bald treffen die beiden immer wieder aufeinander, auch wenn sie aus komplett verschiedenen Welten kommen. Kein Wunder, dass Armando (und damit der Film) die Welt um sich nur verschwommen wahrnimmt. Das Verhältnis ändert sich erneut. Was brutal beginnt, wird zwischendurch eine Liebesgeschichte und entwickelt sich dann wieder zu etwas ganz anderem ... , nie ist klar, worum es in dieser Beziehung wirklich geht. Wer ist dieser Armando eigentlich? Eine Art Ersatzonkel? Wer ist Elder? All das ergibt sich erst im Verlauf des Films, wenn etwa der Vater von Armando und seiner Schwester wieder auftaucht und Armando sich mit dem Trauma seiner Kindheit auseinandersetzen muss. Diese Vater-Sohn-Konstellationen ziehen sich auf mehreren Ebenen durch den Film. caracas, eine liebe ist ein herausragendes Drama, das erstaunlich stilsicher die Position des Beobachters einnimmt, statt psychologische Erklärungen zu liefern. Schmerz, Einsamkeit und Verlangen spiegeln sich nur in Castros zurückgenommenem Spiel. Regisseur Lorenzo Vigas, der zuvor als Dokumentarfilmer arbeitete, wurde dafür in Venedig mit dem Goldenen Löwen für den besten Film ausgezeichnet. Zehn Jahre nach Ang Lees BROKEBACK MOUNTAIN ÜBER die verbotene Liebe zweier schwuler Cowboys hätte Vigas’ Film eine ähnliche Kinokarriere mehr als verdient.
jgg