Wildes Herz

Deutschland 2017

Mitreißend und voller Energie porträtiert „Wildes Herz“ die beliebtesten Punk-Rocker aus dem Norden, „Feine Sahne Fischfilet“. Charlie Hübners Regie-Debüt ist sehr viel mehr als eine Musikdoku für die Fans - er zeigt den alarmierenden Rechtsruck der letzten Jahre in Mecklenburg-Vorpommern und wie sich die Band um den sympathischen Frontmann Jan „Monchi“ Gorkow mit Neonazi-Gewalt, AfD-Wahlerfolgen und perspektivlosen Jugendlichen auseinandersetzt, indem sie nicht nur musikalisch Präsenz zeigt.

Regie
Charly Hübner & Sebastian Schultz
Länge
94 min
FSK
12

Feine Sahne Fischfilet ist eine der erfolgreichsten Punkbands der Republik, aber Frontmann Jan »Monchi« Gorkow und die Hälfte der Musiker leben immer noch in und um Jarmen, diesem kleinen Ort mit 3.000 Einwohnern, wo sie geboren und groß geworden sind, in der Nähe von Greifswald. Und es ist kein Zufall, dass der Mecklenburger Charly Hübner diesen Film gedreht hat: Nicht nur im Rostocker Polizeiruf 110 teilt er sowohl die lakonische Weltsicht als auch die Trauer über die rechte Vergiftung seines platten Landes. Und das spürt man, wenn Hübner und sein Regiepartner ganz unverschnörkelt und bodenständig aus Interviews und ihrem Reportagematerial aus zwei Jahren, aus Super-8-Schnipseln, Fotos und ein paar Bühnenmitschnitten das Coming-of-Age dieses reflektierten Rabauken Monchi auffädeln, der keine Bange hat, seine Seele nackt zu machen: zum Beispiel, wenn er von seiner Zeit als Hansa-Rostock-Hooligan erzählt, der selber durchaus Nazi-Rock hörte, bevor er nachzudenken anfing. Der Dorfpolizist, der ihn kennt, seit er den jungen Hansa-Ultra überwachte; die Grundschullehrerin, die stolz ist auf ihren Jan; die Eltern, die Freunde und die Jungs aus der Band: Sie alle tragen ihn gerne mit, hat man das Gefühl, denn der dicke Monchi macht sich gerade, wo die meisten sich ducken. Und so ist WILDES HERZ weniger eine ausgewogene Dokumentation geworden als ein antifaschistischer Heimatfilm – mitreißend, weil Monchi und seinen Jungs das Lachen noch nicht vergangen ist, sie noch nicht aufgegeben haben: »Noch nicht komplett im Arsch« stand auf den Plakaten, die sie eigenhändig in der Gegend an die Dorftreff-Häuschen der Bushaltestellen klebten zur Landtagswahl 2016: als sie 43 Wochen lang durch rechte Hochburgen Meck-Pomms tourten, um das Jungvolk zum Wählen zu animieren mit ihrem partytauglichen Ska-Punkrock mit den schrägen Trompeten und den klaren Ansagen! Dass die radikal antifaschistische Feine Sahne Fischfilet ein paar Jahre lang ziemlich prominent im Verfassungsschutzbericht des Landes auftauchte, war eine gute Werbung gegen rechts. Und auch WILDES HERZ ist Werbung: für Zivilcourage, wie man das früher nannte; Monchi sagt: »Den Arsch hochkriegen, Loide!«
laf