Wild

D 2016

Auf dem Weg zur Arbeit hat Ania eine seltsame Begegnung. Mitten im Park steht sie einem Wolf gegenüber. Sie sehen sich direkt in die Augen – und es kommt ihr so vor, als wäre ihr bisheriges Leben nur ein Spiel gewesen. Der Moment lässt sie nicht mehr los, genau wie der Gedanke den Wolf wieder zu finden und nie mehr gehen zu lassen. Ania wird zur Jägerin, legt Fährten und schafft es das wilde Tier zu fangen. Sie sperrt es in ihrer Hochhauswohnung´ein und sprengt sämtliche Fesseln ihres bisherigen bürgerlichen Lebens. Erstaunlicherweise finden die Menschen um sie herum daran Gefallen, besonders ihr Chef Boris, der ihre Nähe sucht wie nie zuvor. Fast scheint es, als teilten sie alle eine ähnliche, geheime wilde Sehnsucht.

Regie
Nicolette Krebitz
Besetzung
Lilith Stangenberg, Pit Bukowski, Georg Friedrich, Silke Bodenbender
Länge
90 min
FSK
16

Es beginnt höchst unscheinbar: In einer gesichtslosen Stadt im Osten Deutschlands arbeitet Ania, ein duckmäuserisches Mauerblümchen, in einem austauschbaren Unternehmen. Tag für Tag fährt sie aus der Plattenbausiedlung mit der Bahn in die Firma, sitzt am Computer, holt ihrem Chef Kaffee und ist eigentlich nicht wirklich da. Wenn ihre Kollegen beim Betriebsfest ausgelassen feiern, sitzt Ania still und einsam am Fenster und schaut in den Regen. Doch dann passiert etwas, das ihre gesamte Existenz auf den Kopf stellt: Sie sieht einen Wolf, ganz kurz nur, aus dem Bus heraus, da sitzt das Tier würdevoll am Rand des Parks. Einen Blick tauschen Frau und Tier aus, ein Blick, der alles ändert. Ania versucht das Tier einzufangen, lockt es mit Fleischstücken und quartiert den Wolf schließlich in ihrer Wohnung ein. Zunehmend lässt sie sich gehen, zieht nicht mehr ihre langweilige Kleidung an, sondern bewegt sich fast nackt durch die Wohnung und die Welt. Eine ungewöhnliche, zärtliche Beziehung zwischen Tier und Mensch entsteht, die das ebenso geordnete, wie langweilige Leben Anias für immer aufbricht. Schon in Jeans und Das Herz ist ein dunkler Wald interessierte sich Nicolette Krebitz weniger für Geschichten als für Atmosphäre, Stimmungen, Gemütszustände. Und wenn sie hier stilistisch weniger impressionistisch und experimentell vorgeht, hält sie sich immer noch fern von einer klassischen Narration. In gewisser Weise ist wild die ausführliche Darstellung einer Metapher, eines Bildes: Der einsame Wolf, Zivilisation /Wildnis, die Zärtlichkeit der Wölfe, das Tier im Mann bzw. in der Frau: All diese Bilder kommen in den Sinn, wenn man beobachtet, wie sich Ania vom Mauerblümchen zur erotisch und emotional aufgeladenen Frau entwickelt, die schließlich aus der Stadt in die Wildnis flieht. Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg spielt bemerkenswert furchtlos und vor allem ernsthaft, gerade auch die zunehmend innige »Beziehung « zwischen Frau und Wolf. Ein fast symbiotisches Verhältnis, das teilweise gar sinnliche Züge annimmt: Skandalträchtig ist dies jedoch nicht, stattdessen der gewagte, ungewöhnliche, auf jeden Fall sehenswerte Versuch, die Leere und Banalität der Moderne durch eine bizarr anmutende Versuchsanordnungen aufzubrechen.
mm