Vorhang auf für Cyrano

F/BE 2018

Lange Nase, lockeres Mundwerk und liebeskrankes Herz: Frankreichs Fechtvirtuose und tragikomische Nationaltheaterikone meldet sich in einer frivol-fulminanten Verfilmung von Alexis Michalik zurück.

Regie
Alexis Michalik
Besetzung
Thomas Solivérès, Olivier Gourmet, Mathilde Seigner, Tom Leeb
Länge
110 min

Der heimliche Held der Grande Nation, dieser tollpatschige Poet mit dem Riesenriecher und der metaphorischen Macht in seinen Liebesversen: Seit der Uraufführung des gleichnamigen Theaterstücks von Edmond Rostand am 28. Dezember 1897 gehört der adelige Amorflüsterer neben Shakespeares Romeo und Goethes Werther zu den wohl tragischsten Liebeslosern der Welt- und Theaterliteratur. Alexis Michalik lässt ihn wiederauferstehen, in einer dialogwitzigen Theater-Screwball-Manier. Der kongeniale Bühnenautor Edmond Rostand darbt im Paris 1897. Die Belle Époque beschert seinen Werken eine Pleite nach der anderen. Das nagt an seinem Ego und seinem Geldsäckel. Rettung naht in Gestalt der Aktrice Sarah Bernhardt, die als unerschütterlicher Fan den Kontakt zu Constant Coquelin, einem der berühmt-beliebtesten Komödianten seiner Zeit, vermittelt. Das Glück scheint Edmond hold, fordert Coquelin doch das Jungtalent auf, ihm einen Hauptpart in Cyrano de Bergerac zu verfassen, das in nur 21 Tagen furiose Premiere zelebrieren soll. »In aller Bescheidenheit, wir werden ein Meisterwerk schaffen!«, lautet die vermessene Vorgabe. Edmond ist verwirrt und verwundert zugleich, vor allem von der unheilbar gesunden Gewissheit unter Druck gesetzt, dass er nicht weiß, wie er diese Herkulesaufgabe bewältigen soll. Beeindruckend bewältigt indes Regisseur ­Alexis Michalik diesen komplizierten Filmstoff, der nun als cineastischer Komödienkracher mit perfektem Wortwitz, Timing, Setting und ungeahnten Wendungen das meist gespielte Theaterstück Frankreichs adelt und dabei dem Originalterrain, jenen Brettern, die die Welt bedeuten, treu bleibt. Umso erfreulicher, als in puncto Theaterfilme als »ver«filmtes Theater ein ewig diffiziler Konflikt zwischen eingefleischten Kinojüngern und ehernen Schauspielgurus schwelt. Hier aber brennt die Leinwand, angezündet mit Verve in einer wahnwitzigen Satire über den Soldaten Cyrano de Bergerac (1619–1655), der nicht nur als Wegbereiter der Aufklärung religiöse Dogmen attackierte, sondern als subversiver Anti-Romeo in seiner tragikomischen Sehnsucht nach der schönen Cousine nun auch köstlich-kurzweilige Filmhistorie schreibt.
jea