Vice - Der zweite Mann

USA 2018

Wyoming im Jahr 1963: Der 22-jährige Dick Cheney (Christian Bale) schlägt sich durchs Leben, indem er Stromleitungen repariert. Er ist ein ungelernter Arbeiter, da er das Studium in Yale wegen seiner ständigen Sauferei geschmissen hat. Sein Trinkverhalten hat sich seitdem aber nicht geändert. Nachdem er wegen Trunkenheit am Steuer angeklagt wird, zieht seine Ehefrau Lynne (Amy Adams) die Reißleine. Sie will ihn verlassen, wenn er sein Leben nicht auf die Reihe kriegt. Daraufhin ergattert Cheney ein Praktikum in Washington. An der Seite des Kabinettsmitglieds Donald Rumsfeld (Steve Carell) beginnt er schließlich eine politische Laufbahn und wird bald sogar zum Verteidigungsminister unter George Bush Sr. (John Hillner). Seine Karriere wird aber noch steiler und gipfelt in der Vizepräsidentschaftskandidatur an der Seite von George W. Bush (Sam Rockwell). Bald ist es auch Cheney, der nach dem 11. September die Pläne für einen Krieg gegen den Irak vorantreibt.

Regie
Adam McKay
Länge
132 min
FSK
6

Er wollte nie im Rampenlicht stehen und er wusste sehr genau, warum. Dick Cheney hat sehr früh gelernt, dass es sich auszahlt, lieber unscheinbar in der zweiten Reihe Strippen zu ziehen und eigene Interessen zu verfolgen. So wurde er durch beharrliche Arbeit jüngster Stabschef im Weißen Haus unter Ford, Verteidigungsminister unter Bush sen. und schließlich Vize unter Bush jun. Mit Letzterem handelte er einen Deal aus, der ihn mit mehr Macht ausstattete als jeden Vizepräsidenten vor und nach ihm. Und sorgte damit nach den Anschlägen vom 11. September maßgeblich für den Irakkrieg und die Antiterrormaßnahmen, deren Auswirkungen den Nahen Osten und die Welt bis heute prägen (und Cheney zu einem sehr reichen Mann machten). Regisseur Adam McKay zeichnet seinen Werdegang nach, vom Trunkenbold in den frühen 1960ern zum jungen Assistenten von Donald Rumsfeld und dem leisen, stetigen Aufstieg bis ins Zentrum der Macht. Treibende Kraft war dabei immer wieder seine Ehefrau Lynne. Das Interessante an McKays Ansatz ist, dass er kein klassisches Biopic abliefert. Vieles muss bei einem sich immer bedeckt haltenden Mann wie Cheney Spekulation bleiben – und das thematisiert der Film durch eine Inszenierung und Erzählstimme, die das immer schon mitreflektieren. Das wirkt dann bisweilen auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Oliver Stone, der bei JFK ordentlich fabulierte, und dem zur plakativen Propaganda neigenden Michael Moore wie gerade wieder bei FAHRENHEIT 11/9. McKay legt diese nicht nachweisbaren Stellen aber offen, lässt immer wieder Originalaufnahmen einfließen und den Zuschauer eigene Schlüsse ziehen. Und trotz aller Ernsthaftigkeit in der Sache spürt man seinen Werdegang bei der legendären Comedyshow Saturday Night Live, sein Stil ist stets eine Mischung aus Investigation und satirisch-schwarzem Humor, bisweilen kippt es ins Surreale. Mit großer Fabulierlust baut er Momente ein, die weniger Gimmicks als erhellende Brüche sind. Alles zusammen ergibt es das mal komische, mal gruselige, aber immer faszinierende Porträt eines Mannes, den wohl kaum jemand in all seinen Facetten kennt. Noch nicht einmal seine eigene Frau.
jg