Tschick

DE 2015

Zwei seltsame Jungs im geklauten Lada auf dem Weg in die Walachei – das ist der Stoff für einen großen Roman. Oder einen wunderbaren Film. Oder gar beides. Fatih Akins Verfilmung des Kultbuches von Wolfgang Herrndorf ist ein wildes Roadmovie und eine herrliche Geschichte über das Anderssein.Und Vorsicht: Es ist möglich, dass Sie beim Verlassen des Kinos dabei ertappt werden, wie Sie Richard Claydermans Ballade Pour Adeline pfeifen.

Regie
Fatih Akin
Besetzung
Tristan Göbel, Anand Batbileg, Mercedes Müller, Anja Schneider, Uwe Bohm, Udo Samel
Länge
93 min
FSK
12

Spätestens als er in der Schule den Aufsatz über seine alkoholabhängige Mutter verliest, die alljährlich zur Entziehungskur auf die »Beauty Farm« reist, ist Maiks Ruf als Psycho in der Klasse zementiert. Trotzdem schmerzt es, dass er als Einziger keine Einladung für die Party der von ihm so verehrten Tatjana bekommt. Fast als Einziger, Andrej Tschichatschow, aus Einfachheitsgründen Tschick genannt, hat selbstverständlich auch keine. Der ist als selbsternannter wolgadeutscher, jüdischer Zigeuner mit Verbindungen zur russischen Mafia, familiären Wurzeln in der Walachei und Asi-Adresse im Marzahner Plattenbau auf der Außenseiterskala allerdings noch weit höher angesiedelt. Nun brechen auch noch die Sommerferien an, das heißt: Die Mutter ist auf der »Beauty Farm«, der Vater geht mit seiner flotten Assistentin auf »Geschäftsreise« und lässt den 14-Jährigen am Pool zurück. Gerade scheint sich Maik auf der Luftmatratze in diese Flut der Nichtbeachtung zu fügen, da steht Tschick mit einem geklauten Lada vor der Tür und fordert zum Besuch seines walachischen Großvaters auf. Was folgt, ist ein wildes Roadmovie und eine herrliche Geschichte über Freundschaft, über das Erwachsenwerden und vor allem über das Anderssein. Mit Tristan Göbel und Anand Batbileg konnte Regisseur Fatih Akin eine ideale Besetzung der beiden Sonderlinge finden, die gleichzeitig hinter dem Lenkrad des Lada zerbrechlich wirken und doch Verfolgungsjagden mit der Polizei oder Beleidigungsduelle mit Isa von der Müllkippe bestehen. Ohne seinen Film dem Buch zu unterwerfen, ist Akin nah dran an der Stimmung des Romans. An den ungewöhnlichen Begegnungen, die Tschick und Maik während ihrer Tour erleben, hätte vermutlich auch der 2013 verstorbene Autor Wolfgang Herrndorf seine Freude gehabt. Das wäre freilich nicht verwunderlich, hatte er doch selbst seinen Freund Lars Hubrich für das Drehbuch vorgesehen, dem allein er den passenden Ton zutraute. Apropos Ton, zu jedem guten Roadmovie gehört ein kongenialer Soundtrack – und obwohl die Verbindung gelungen ist, Vorsicht: Es ist möglich, dass Sie beim Verlassen des Kinos dabei ertappt werden, wie Sie Richard Claydermans Ballade Pour Adeline pfeifen.
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