Lotte

DE 2016

Regisseur Julius Schultheiß beschenkt uns in seinem No-Budget-Debütfilm mit einer Berliner Fluchtgeschichte, die sich gesellschaftliche Normen mit einer Line reinzieht, vor allem aber mit einer Antiheldin, die so sperrig wie liebenswert ist und so tapfer wie verantwortungslos.

Eine Frau wie LOTTE bekommen wir im Kino selten zu sehen. Sie säuft, rülpst und kokst sich durch die Nächte, ist tagsüber schlagfertige Krankenschwester, die sich von Arzt wie Patient gleichermaßen wenig beeindrucken lässt. Ihr Typ schmeißt sie aus der Wohnung, na und? Findet sich schon was, Prost! Ein Taschendieb will sie beklauen, kriegt auf die Fresse. Die Begegnung mit Marcel allerdings, dem sie in der Stammkneipe eine Platzwunde näht, hinterlässt Unruhe. Da war doch was.

Regie
Julius Schultheiß
Besetzung
Karin Hanczewski, Zita Aretz, Paul Matzke, Marc Ben Puch, Christine Knispel
Länge
76 min
FSK
16

Eine Frau wie LOTTE bekommen wir im Kino selten zu sehen. Sie säuft, rülpst und kokst sich durch die Nächte, ist tagsüber schlagfertige Krankenschwester, die sich von Arzt wie Patient gleichermaßen wenig beeindrucken lässt. Ihr Typ schmeißt sie aus der Wohnung, na und? Findet sich schon was, Prost! Ein Taschendieb will sie beklauen, kriegt auf die Fresse. Die Begegnung mit Marcel allerdings, dem sie in der Stammkneipe eine Platzwunde näht, hinterlässt Unruhe. Da war doch was. Die Unruhe wächst, als sie in der Klinik die verunfallte Greta kennenlernt. Wie sich bald herausstellt, ist Greta Marcels Tochter. Und ihre! Vor fünfzehn Jahren hat sie das Baby irgendwo in der Provinz beim Vater gelassen und sich selbst der Großstadt Berlin übergeben. Die Tochter sucht vorwurfslos den Kontakt und findet so etwas wie eine ältere Freundin, die ihr Rauchen, Saufen, Feiern und Koksen beibringt – und wie man bei den Jungs erfolgreich zum Abschluss kommt. Erst nach und nach bestätigt sich die Befürchtung, die sensible Beobachter schon längst Lottes grimmig-unabhängigem Mienenspiel abgelesen haben: Ihre ungebändigte, regellose, ewig jugendliche Freiheit war wohl teurer erkauft, als es zunächst den Anschein erweckte. Die schlaue Greta erkennt das und lässt bei der Mutter nicht locker, auch wenn dafür beim Späti im wahrsten Sinne bis zum Umfallen Bier vernichtet werden muss. Regisseur Julius Schultheiß beschenkt uns in seinem No-Budget-Debütfilm mit einer Berliner Fluchtgeschichte, die sich gesellschaftliche Normen mit einer Line reinzieht, vor allem aber mit einer Antiheldin, die so sperrig wie liebenswert ist und so tapfer wie verantwortungslos. Karin Hanczewski irrlichtert mit ungeheurer Energie zwischen den ausgerissenen Grenzpfosten von Lottes scheinbar frei ausgesuchter Großstadt-Existenz hin und her – aggressiv und verzweifelt, aber auch zerbrechlich und mit Humor. Eine entschieden selbstbewusste Frau, deren harte Punchs immer wieder von den Schwachstellen der eigenen Deckung ablenken. An ihrer Seite gibt Nachwuchsschauspielerin Zita Aretz ein derart selbstverständliches und vielversprechendes Debüt, dass Lotte und Greta beinahe eine harmonische Zukunft zuzutrauen ist.
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