Juliet, Naked

USA 2018

Wie kaum ein anderer Schauspieler prägte Ethan Hawke eine Generation von Kinofans, mit Filmen wie der „Before Sunrise“-Trilogie und „Boyhood“. Vom sensiblen Schüler mit Zivilcourage und Slacker-Antihelden zum verzweifelten Priester reicht die Spannbreite des vielseitigen 47jährigen. Als gescheiterter Rocksänger zeigt er in der wunderbar romantischen und humorvollen Tragikomödie über einen besessenen Popfan, den Erfolgsautor Nick Hornby als literarische Figur schuf, ungeahnte Talente. An seiner Seite brilliert die Australierin Rose Byrne. Und so besticht die gelungene Leinwandadaption nicht nur durch die Tiefe und den Witz ihrer Dialoge, sondern bietet auch qualitativ hochwertiges Schauspielerkino

Regie
Jesse Peretz
Besetzung
Ethan Hawke, Rose Byrne, Chris O’Dowd, Lily Brazier
Länge
105 min
FSK
0

Romanverfilmungen sind so eine Sache, denn sie bleiben oft hinter der Fantasie der Leser zurück. Da braucht es schon einen präzisen Menschenbeobachter wie Nick Hornby, dem mit seiner Liebe für Frauen, Musik und schrullige Sonderlinge mit abartigen Hobbys immer wieder wunderbare Drehbuchvorlagen gelingen. Der amerikanische Regisseur Jesse Peretz hat nun aus Hornbys Juliet, Naked einen kongenialen Film gemacht. Der abgehalfterte Singer-Songwriter Tucker Crowe hat seine besten Tage längst hinter sich und lebt versteckt in der Garage seiner Ex-Frau in der amerikanischen Provinz. Dort versucht er, seinem kleinen Sohn ein guter Vater zu sein. Seit 20 Jahren hat er nichts mehr produziert, doch das ficht seine treue Fangemeinde im fernen England nicht an. Im Gegenteil: Umso weniger Crowe von sich hören lässt, desto mehr schießen die Fantasien seiner glühenden Fans ins Kraut. Davon zeugt die rege besuchte Website des schrägen Professors Duncan Thomson, der sich mit großem Enthusiasmus Crowes Werk widmet. Dauerfreundin Annie fühlt sich zurückgesetzt und macht eines Tages ihrem Herzen Luft. Auf der Website ihres Lebensgefährten verreißt sie gnadenlos Crowes letztes Album als selbstmitleidigen Gefühlskitsch. Und siehe da: Der Künstler antwortet. Er gibt Annie recht. Ein reger E-Mail-Verkehr beginnt ... Eine tolle Besetzung mitsamt kuriosem Typenkabinett, verkramt-verkruschelte 70er-Jahre-Settings mit Gewürzregalen, Hobbyraum, Heimatmuseum und Essen beim Inder, wunderbare Dialoge. Ethan Hawke als melancholisch runtergerockter ›Star‹ ist die Idealbesetzung und hat alle Songs selbst gesungen: so ein bisschen folkige Selbsterfahrungslyrik, die haarscharf am Kitsch vorbeischrammt und müde Männer glücklich macht ... Rührend turbulente Szenen, wie Annie zwischen Hoffnung und der Angst, verletzt zu werden, hin- und hertänzelt, bei der kleinsten Irritation aufgeben will und es dann doch wieder versucht, ein patchworkiges Familientreffen am Krankenhausbett von Tucker, der extra nach England gereist ist. Alles zusammen macht JULIET, NAKED zu einem klugen, herzerwärmenden Spaß. … Wer die nackte Juliet ist, muss der Zuschauer selbst rauskriegen!
nal