Gegen den Strom

ISL/F 2018

Ökothriller, Abenteuerfilm, Märchen und Komödie - Benedikt Erlingssons Film über eine Umweltaktivistin auf dem Kriegspfad ist all das und noch mehr: großes, originelles Arthousekino! Er zeigt die ursprüngliche isländische Natur in wunderbaren Bildern, dazu außergewöhnliche Menschen in surrealen Situationen. Dank einer brillanten Hauptdarstellerin ist die Geschichte sogar von beinahe poetischer Eleganz und trotzdem sehr komisch, inklusive einiger irrwitziger Verweise auf die Filmgeschichte.

Regie
Benedikt Erlingsson
Besetzung
Halldóra Geirharðsdóttir, Jóhann Sigurðarson, Davíð Þór Jónsson, Charlotte Bøving
Länge
100 min
FSK
6

Die Chorleiterin Halla, die stets freundlich grüßend durch die Stadt radelt, führt ein geheimes Doppelleben. Sie kämpft allein gegen die Wirtschaftslobby Islands, die bereit ist, für die regionale Aluminiumindustrie die Natur zu opfern. »Die Bergfrau« nennt sich Halla in ihren Bekennerschreiben – ein Verweis auf alte Sagen und auf die isländische Tradition, Widerstand zu leisten. Mit viel Geschick, manchmal auch mit Glück entgeht sie den Verfolgern. Als Halla erfährt, dass nach vielen Jahren ihr Adoptionsantrag bewilligt wurde und sie tatsächlich ein kleines Mädchen aus der Ukraine zu sich holen kann, verschärft sie den Kampf. Nicht nur die Geschichte ist originell, sondern auch die verblüffenden, oft unfassbar schönen Bilder. Hallas Welt ist die ursprüngliche Natur Islands. Hier ist sie zu Hause, hier ist sie allen überlegen, denn sie kennt die Wildnis und ist ihr durch archaische Kräfte verbunden. Halldóra Geirharðsddóttir spielt absolut faszinierend, facettenreich und mit großem sportlichem Einsatz diese isländische Schwester der Artemis. Wenn Halla mit Pfeil und Bogen eine Drohne vom Himmel holt, dann ist das ebenso wirkungsvoll wie symbolträchtig: Aus der Aktivistin wird die Jagdgöttin, die den Kampf gegen eine bis an die Zähne bewaffnete Übermacht auf ihrem ureigenen Terrain ausficht. Das erinnert sowohl an die Guerilla-Taktik der Vietcong als auch an Robin Hood, ist aber deutlich witziger und noch einfallsreicher. So wird Halla im wörtlichen Sinn von Musik begleitet: Ein Trio mit Schlagzeug, Tuba und Akkordeon ist stets in ihrer Nähe. Als quasi griechischer Chor zitiert er ebenfalls antike Muster, drei singende Frauen in ukrainischer Tracht gesellen sich später dazu. Das zeugt dann unbedingt vom Humor des Filmemachers, der, ähnlich wie in VON MENSCHEN UND PFERDEN, wieder mit Zitaten und Andeutungen spielt. Manches ist herrlich boshaft, so der bärbeißige Schafzüchter, der seinen Hund »Frau« nennt. Und regelmäßig wird statt Halla derselbe dunkelhäutige Tourist verhaftet, während sie knapp ihren Verfolgern entkommt. Die Superheldin im Islandpulli geht unbeirrbar ihren Weg und kommt demnächst in eure Kinos.
sic!