Die Blumen von gestern

DE 2016

Eine herrlich fiese und trotzdem leichte Komödie: Zwei Soziopathen kämpfen miteinander und gegeneinander. Es geht um Neurosen, Familiengeschichten und um die deutsche Vergangenheit.

Regie
Chris Kraus
Besetzung
Lars Eidinger, Adèle Haenel, Jan Josef Liefers, Hannah Herzsprung, Sigrid Marquardt, Bibiana Zeller, Rolf Hoppe
Länge
120 min
FSK
12

Eine herrlich fiese und trotzdem leichte Komödie: Zwei Soziopathen kämpfen miteinander und gegeneinander. Es geht um Neurosen, Familiengeschichten und um die deutsche Vergangenheit. Chris Kraus, bisher durch eher melancholisch angehauchte, wenn auch großartig durchkomponierte Filme bekannt, hat einen komödiantischen Rundumschlag gewagt: Seine irrwitzige Komödieum einen Holocaust-Forscher und eine nervlich stark herausgeforderte Praktikantin begegnet der deutschen Geschichte mit geradezu herausfordernder Leichtigkeit. Totila Blumen (ein schöner Name!) soll den nächsten Holocaust-Kongress organisieren. Doch nicht nur als ernsthafter Wissenschaftler, sondern auch aus Prinzip wehrt sich Totila dagegen, dass aus dem Kongress ein werbefinanzierter Medienrummel wird. Totila ist ohnehin stark herausgefordert, er hat Stress mit seiner Frau, sein Lieblingsprofessor ist kürzlich verstorben und ausgerechnet der fieseste Kollege wird nun sein Vorgesetzter. Dazu setzt man ihm eine französische Praktikantin vor die Nase, die mindestens genauso nervig wie nervös ist. Und hübsch ist sie auch noch. Und die Geliebte des Chefs … Das soll fürs Erste an inhaltlichen Verlockungen genügen. Chris Kraus macht aus der Geschichte um die Nachkommen von Opfern und Tätern eine irrwitzige, fast anarchische Komödie, die nichts und niemanden verschont. Dazu gibt’s tolle Dialoge und eine geradezu atemstockende Situationskomik, alles herausragend präsentiert von fantastischen Darstellern: Lars Eidinger spielt Totila als misanthropischen Choleriker – ein Ganztagsmuffel mit schwerer Bild- und Tonstörung, aber irgendwie doch ganz goldig. Der französische Jungstar Adèle Haenel ist als Ganztagshysterikerin Zazie unglaublich komisch und gleichzeitig rührend. Totilas Chef Balthasar spielt Jan Josef Liefers mit hinreißend ekelhaftem Charme, und Hannah Herzsprung ist Totilas geplagte Ehefrau. Irgendwann begreift man Zazie, Totila und ihre unzählbaren Neurosen: Sie tragen schreckliche Familiengeschichten mit sich, deren Folgen bis in die Gegenwart reichen. Irgendwann aber wird aus Totila Toto, und ein kleiner Funken Hoffnung blitzt auf. Vielleicht könnten die Wunden der Vergangenheit doch noch geheilt werden? Vielleicht hilft es ja, die Thematik etwas weniger verbissen zu betrachten. Humor ist, wenn man trotzdem lacht – das gilt umso mehr für diesen Film, der unfassbar kurzweilig ist und dabei immer ernsthafter wird.
Gaby Sikorski