Der verlorene Sohn

USA 2018

Basierend auf dem autobiografischen Roman von Garrard Conley, schildert das höchst bewegende Drama die Leidensgeschichte des 19-jährigen Jared, der von seinem streng religiösen Vater gezwungen wird, an einer Konversionstherapie teilzunehmen, um von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. Zum Glück ganz ohne larmoyante Rechthaber-Attitüde gelingt ein packendes Plädoyer gegen religiösen Fanatismus und Intoleranz. An der Seite von Nicole Kidman und Russell Crowe liefert Lucas Hedges als sensibler Held eine grandiose Vorstellung, deren Wahrhaftigkeit unter die Haut geht. Nicht nur auf ihn dürften Oscars warten.

Regie
Joel Edgerton
Besetzung
Lucas Hedges, Nicole Kidman, Russell Crowe, Joel Edgerton, Xavier Dolan, Troye Sivan, Britton Sear
Länge
115 min
FSK
12

Vor allem bei evangelikalen Christen in den Vereinigten Staaten hält sich noch immer der Irrglaube, Homosexualität sei eine erworbene Störung, die man durch Therapie heilen kann. Garrard Conley wurde selbst von seinen Eltern in eine solche Anstalt geschickt und hat seine qualvollen Erfahrungen in seiner Autobiografie Boy Erased beschrieben, die auch auf Deutsch erschienen ist und nun als Vorlage dieses bewegenden Dramas mit Starbesetzung dient. Der 19-jährige Jared wächst in einer Kleinstadt in Arkansas auf, sein Vater ist der Prediger im Ort, seine Mutter kümmert sich um Familie und Haushalt. Als Jared ihnen eines Tages gesteht, dass die Gerüchte an der Schule wahr sind und er auf Jungs steht, drängt ihn sein Vater zu einer Umerziehungstherapie bei einer ominösen christlichen Organisation. Wenn er nicht zustimmt, wird er seine Familie verlassen müssen. Vor diese Wahl gestellt, erklärt sich der junge Mann dazu bereit. Regisseur Joel Edgerton, der auch das Drehbuch adaptiert hat, übernimmt hier zusätzlich noch die Rolle des Erziehers Victor Sykes, ein bigotter Ex-Schwuler, der die Jungs (und wenigen Mädchen) im vermeintlichen Sinne Gottes mit fragwürdigen Gehirnwäschemethoden zurechtbiegen will. Jareds traumatische Erlebnisse in der Anstalt werden immer wieder durch Rückblenden unterbrochen, die seine Jugend im ultrareligiösen Umfeld ebenso zeigen wie die ungelenken Annäherungsversuche zwischen ihm und seiner Freundin und der ersten verstörenden homosexuellen Erfahrung. Edgerton vermeidet dabei jede Schwarzweißmalerei, die reaktionären Moralapostel handeln tatsächlich aus Überzeugung oder einfach schlichtem Überlebenswillen, man spürt die Verunsicherung ihrer Männlichkeit hinter der bigotten Fassade. Auch der Vater will im Grunde nur das Beste für seinen Sohn, kann aber letztlich nicht aus seiner Haut. Einzig Jareds Mutter, die Nicole Kidman bravourös spielt, wächst über sich selbst hinaus, als sie erkennt, welches Leid sie ihrem Jungen antun. DER VERLORENE SOHN ist ein zutiefst bewegendes, differenziert erzähltes Familiendrama, das schon jetzt einer der wichtigsten Queerfilme des Jahres ist.
jg