Der Landarzt von Chaussy

FR 2016

Dr. Jean-Pierre Werner (François Cluzet) ist seit über 30 Jahren Landarzt und in seiner Dorfgemeinschaft sehr beliebt. Für die Nöte und Sorgen seiner Patienten hat er immer ein offenes Ohr. Als er plötzlich selbst erkrankt, ist er gezwungen eine Vertretung einzustellen. Diese kommt, schneller als ihm lieb ist, in Gestalt der attraktiven und selbstbewussten Dr. Nathalie Delezia (Marianne Denicourt). Aber Jean-Pierre, der sich für ziemlich unersetzbar hält, ist nicht bereit sie ohne Umschweife als mögliche Nachfolgerin an seiner Seite zu akzeptieren. Und so muss sich Natalie seine Anerkennung und die der Dorfgemeinschaft erst hart erarbeiten. Doch nach und nach kommt unter der anfänglich rauen Oberfläche wahre Herzlichkeit zum Vorschein.

Regie
Thomas Lilti
Besetzung
François Cluzet, Marianne Denicourt, Isabelle Sadoyan, Félix Moati
Länge
102 min
FSK
0

Wie angenehm, dass sich dieser französische Film wohltuend davon abhebt. Der von François Cluzet (ZIEMLICH BESTE FREUNDE) dargestellte Arzt hat keine blitzsaubere, von einer adretten und taffen Sprechstundenhilfe organisierte und in einer Bilderbuchgegend liegende Landambulanz. Er ist ein fest mit der ländlichen Bevölkerung und deren teils ritualisierter Lebensweise verbundener Mensch, dessen medizinische Kenntnisse oft von untergeordneter Bedeutung sind, wenn es um die »Gesundung« seiner Patienten geht. Die zu Beginn des Films kaleidoskopartigen Szenenwechsel verdeutlichen die vielfältige Problematik des Zusammenlebens auf dem Land und beschönigen nicht den harten Alltag und die ständige Verfügbarkeit eines Arztes in diesen medizinischen Versorgungswüsten. Der Regisseur Thomas Lilti – selbst ausgebildeter Mediziner, der auch als Vertretung in ländlichen Gegenden tätig war – kennt die Problematik genau. Sein Dr. Werner arbeitet mit rückhaltloser Hingabe und oft am Rand der Erschöpfung. Doch dies ist sein Leben und die Menschen der Umgebung sind Teil seiner Familie. Brisanz bekommt die Geschichte, als bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert wird und sein behandelnder befreundeter Arzt eine Kollegin zu seiner Hilfe vermittelt. Beide müssen sich nun mit der neuen Situation auseinandersetzen, was sich als schwierig erweist. Doch die Beharrlichkeit und Renitenz der Neuen konfrontieren Werner mit seiner eigenen Erkrankung und den zu erwartenden Folgen für ihn und seine Umgebung. Neben den Herausforderungen, denen sich jeder Einzelne in dieser Landgemeinschaft stellen muss, zeigt der Film auch die Tücken eines »entindividualisierten« Gesundheitswesens. Für seinen Landarzt steht die Würde des Menschen im Vordergrund. Die durchschnittlich 22 Sekunden, die ein Arzt normalerweise einen Patienten reden lässt, ohne ihn zu unterbrechen, sind für Dr. Werner nicht akzeptabel. Lilti lässt seinen Protagonisten genügend Raum zum stummen Dialog. Blicke und Gesten fügen sich mit den präzisen Beschreibungen der Dorfgemeinschaft zu einem lebendigen und vor allem empathischen Blick auf diese Welt und hält uns gleichzeitig einen Spiegel vor.
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