Der Affront

LBN / BE / F / CYP 2018

Kleine Ursache, große Wirkung: Eine banale Beschimpfung eskaliert dramatisch. Brillante Parabel über Rechthaberei, vermeintlich verletzte Ehre sowie religiösen Fanatismus. Dass Regisseur und Autor Ziad Doueiri als Sunnit das Drehbuch gemeinsam mit der Christin Joëlle Tourma verfasste, erweist sich als cleverer Schachzug. Dass er sein Handwerk als Kameraassistent von Quentin Tarantino lernte, hat gleichfalls visuelle Spuren hinterlassen.

Regie
Ziad Doueiri
Besetzung
Adel Karam, Kamel El Basha, Rita Hayek, Diamand Bou Abboud, Camille Salameh
Länge
112 min
FSK
12

Es ist ein heißer Sommertag in Beirut. Yasser ist palästinensischer Flüchtling und ein gewissenhafter Vorarbeiter für die aktuellen Baumaßnahmen in der kleinen Straße. Toni ist Automechaniker, gebürtiger Libanese und bekennender Christ. Weil der illegale Abfluss auf seinem Balkon nicht den Vorschriften entspricht und ständig auf die Straße tropft, verlegt Yasser kurzerhand eine neue Leitung. Der Bewohner zeigt sich wenig dankbar. Voller Wut zerschlägt Toni das frisch betonierte Rohr mit seinem Vorschlaghammer. Dass ihn der Bauarbeiter deshalb als Trottel beschimpft, bringt den Choleriker völlig aus dem Häuschen. Es folgt das übliche Geblöke von verletzter Ehre samt der obligatorischen Stolz-Hysterie. Der pragmatische Chef von Yasser hat die rettende Idee: Entschuldigung und Schwamm drüber! Fast hat er seinen widerwilligen Angestellten so weit. Eine gezielte Provokation von Toni lässt die Versöhnung jedoch platzen. Nun fliegen die Fäuste. Danach reagiert die Justiz. Nun sind plötzlich sehr teure Star-Anwälte an der Seite des sturen Streithahns. Doch auch der Gegner rüstet juristisch auf. Für die klugen Frauen der Beteiligten ist das ganze Wichtigtuerei ihrer aufgeplusterten Gockel längst lästig. Bald mischen auch die Medien mit. Schließlich will der Präsident vermitteln. Als brillante Parabel über Rechthaberei, vermeintlich verletzte Ehre sowie religiösen Fanatismus funktioniert dieses bewegende Moral-Drama exzellent. Dass Regisseur und Autor Ziad Doueiri als Sunnit das Drehbuch gemeinsam mit der Christin Joëlle Tourma verfasste, erweist sich als cleverer Schachzug. Dass er sein Handwerk als Kameraassistent von Quentin Tarantino lernte, hat gleichfalls visuelle Spuren hinterlassen. Als Sahnehäubchen erweist sich die Besetzung der sturen Streithähne. Der Beiruter Comedian Adel Karam sowie der populäre palästinensische Theatermann Kamel El Basha geben die fanatischen Widersacher mit großer Präzision und machen sie zu grotesken Figuren der lächerlichen Art. Wie schnell diese netten Nachbarn zu verbohrten Fanatikern mutieren, ist erschreckend. Und doch gibt es jene klitzekleine Szene der Versöhnung, die hoffen lässt.
doss